Armut im Alltag

Zu Beginn haben wir uns gedacht: Ja, die Menschen leben einfacher, aber wirklich „arm“ sind sie nicht. (Fast) jeder hier hat sein eigenes Haus und lebt auf seinem Grund. Die meisten haben irgendeine Form von Arbeit; viele im informellen Sektor. Die Häuser sind teilweise klein, schlicht, aus Holz gebaut und einfach eingerichtet. Kaum jemand hat ein richtiges Schlafzimmer, aber die meisten doch eine Matratze am Boden. Niemand hat einen Kühlschrank, ein Waschmaschine oder einen Geschirrspüler. Aber gut, diese Dinge braucht man ja auch nicht wirklich. Die Häuser sind „undicht“, haben keine Fensterscheiben, keine schließenden Türen, alles ist offen… die Küche ist meist draußen, gekocht wir mit Holz und Kohle. Eigentlich haben alle ein Klo, die meisten aber nur ein Loch im Boden, in das mit einer Kelle Wasser nachgespült wird. Funktioniert gut, was braucht man mehr? Mit dieser Wasserschöpfkelle wird auch geduscht: Die meisten Menschen duschen im Freien und schütten einfach kaltes Regenwasser über sich. Die Frauen im Sarong, die Männer in der kurzen Hose. Aber es ist halt auch nie kalt: also wozu dichte Fenster, wenn durch die Holzristen der Wind bläst; wozu warmes Wasser, wenn das kalte angenehm kühlt?

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Mittlerweile haben wir schon mehr gesehen und sind uns bewusst, dass wir oft Kontakt zu den Ärmsten haben: Kinder in Schule, Nachbarn vor ihren einfachen Holzhütten, Gemüseverkäuferinnen am Markt. Generell sind es vor allem Menschen auf dem Land, denn dort gibt es oft wirklich nichts: kein Trinkwasser, keinen Strom, keine Schulen, keine medizinische Versorgung usw. Wenn man von Siem Reap zu uns übers Land fährt, sieht man viele schöne Holzhäuser. Es schaut idyllisch aus: bis man sieht, dass nirgends ein Stromkabel hinführt und sich überlegt, wo die nächste Schule ist. Auch in der Stadt haben viele Menschen mehrere Jobs, um über die Runden zu kommen. Eine unserer Lehrerinnen macht zu Hause noch Reiswein und organisiert Onlinehandel für alle möglichen Dinge. Nebenbei hat sie zwei Kinder mit 6 und 1,5 Jahren. Die Kleine kommt mit in die Schule, Karenz oder Kindertagesstätten gibt es natürlich nicht. Eine andere Kollegin hat neben der Schule eine Wäscherei und drei Kinder  mit 14, 4 und 2. Wenn sie unterrichtet, passt der Älteste auf die Kleinen auf und führt die Wäscherei. In die Schule geht er schon länger nicht mehr: er mag nicht,  sagt sie, er ist faul. Ähnlich ist es bei zwei Mädchen, die beim Schulbuffet helfen. Sie sind 16 und 18 und gehen nicht mehr zur Schule. Die Mutter meint dazu nur:  Das bringt eh nix, sie wollen heiraten. Uff, was für Zukunftsaussichten?! Ohne Ausbildung, ohne Job … nur heiraten?

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Manche Kinder in der Schule gehören wohl auch zu den Ärmsten. Sie haben nie Geld mit, um sich am Schulbuffet etwas zu kaufen (wo alles 10 Cent kostet). Sie tragen immer dasselbe (schmutzige) Gewand und haben oft braune Zähne, was bei dem Zuckerkonsum und ohne Zähneputzen auch kein Wunder ist. Immerhin bekommen sie nach der Schule ein warmes Mittagessen in unserem Projekt! Grundsätzlich helfen Kinder immer überall mit. Leider treffen wir auch öfter Kinder, die aufgehört haben zu lernen. Fragen wir genauer nach, müssen sie meist daheim helfen; momentan gerade oft beim Cashewnuss sammeln. Gott sei Dank, kommen aber viele wieder zurück in die Schule, wenn sie daheim nicht mehr so dringend gebraucht werden.

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Mit all dem im Blick, machen wir uns Gedanken über die Zukunft Kambodschas. Wo soll es hingehen? Wäre es ein Fortschritt, wenn immer nur zwei Menschen mit Helm auf einem Moped fahren? Also hier Familien ein Auto brauchen, mit Kindersitzen, Airbags, Wartungen und Pickerl? Macht es das Leben besser? Einfach sicher nicht … aber dafür länger? Bei uns ist alles komplizierter: Konzessionen, Steuern, Pickerl, Formulare … Im Alltag bezweifeln wir die Sinnhaftigkeit all dessen, so lange bis wir (wieder einmal) von einem Mopedunfall hören, bei dem ein Kind gestorben ist. Wir fragen uns: Wohin kann Kambodscha sich sinnvoll entwickeln? Wie kann ein Land überhaupt aus der Korruption kommen? Ziel kann es jedenfalls nicht sein, dass es so wird wie bei uns. Unsere Natur würde es nicht verkraften, wenn alle Menschen leben würden wie wir, mit Auto, Haus und einem Haufen unnützem Zeug.  Aber natürlich wollen die Menschen hier, dass es besser wird – nur wie?

Katharina H.geld

Childrenplanet 2014